Das "Kgl. Württbg. Landjägerkorps" im Königreich Württemberg (1806 - 1918)

Wir beginnen unsere Zeitreise durch die Uniformen der Stuttgarter Polizei aber auch der Landespolizei, die auf den nächsten Seiten im Heute des Landes Baden-Württemberg enden wird,  im Königreich Württemberg. Ja, Württemberg hatte einen König (insgesamt vier) und die stolzen Badner im Großherzogtum Baden einen Großherzog. Das Königreich Württemberg entstand 1806 auf Betreiben von Napoleon aus dem 1803 zum Kurfürstentum erhobenen Herzogtum Württemberg. Sein letzter König, Wilhelm II. von Württemberg, verzichtete 1918 als einer der letzten deutschen Monarchen auf den Thron und Württemberg wurde parlamentarische Demokratie und Teil des Deutschen Reiches der Weimarer Republik.

 

Das Königlich Württembergische Landjägerkorps bildete von 1807 bis 1918 die Polizeitruppe des Königreichs Württemberg, seine Strukturen und Bezeichnungen  wechselten anfänglich mehrmals: Landreuterkorps (1808-1809), Landdragonerkorps (1809-1811) und Gendarmeriekorps (1811-1823), seit 1823 war dann der Begriff Landjägerkorps usus. Das Korps wurde am 11.9.1807 per Generalverordnung von König Friedrich I. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit eingerichtet und diente zunächst der "Überwachung von Fremden, Vagabunden und Bettlern, Anzeige von Gesetzesübertretungen, Begleitung der Postwagen und zum Schutz von ihnen anvertrauten Personen und Sachen". Bis dato gab es sehr uneinheitliche, lokale Regelungen, die für diese Aufgaben Polizeidiener, Tor- und Nachtwächter, Zoll-, Feld- und Waldschützen oder sogenannte Ha(r)tschiere vorsahen. Neben den Landjägern gab es weiterhin Ortspolizeien, die auch polizeiliche Aufgaben wahrnahmen - näheres siehe unten.

 

Ab 1823 erhielt das Landjägerkorps durch Reformen des liberalen Königs Wilhelm I. (Sohn von Friedrich I.) Struktur und Ansehen einer Polizeieinheit im heutigen Sinne. Im Jahr 1972 hatte das Korps 500 Angehörige, deren Anzahl sich bis 1914 auf 600 Männer erhöhte, die auf 65 Haupt- und 348 Nebenstellen verteilt waren. Als Indiz für deren Akzeptanz kann gewertet werden, dass im Schwäbischen noch bis Mitte der 1960er der Begriff „Landjäger“ für Polizei im Sprachgebrauch vorkam, obwohl das Köngliche Korps seit 1918 aufgelöst war. Die württembergischen Landjäger als polizeiliche Organisationseinheit bestanden aber auch in der Weimarer Republik fort bis sie schließlich 1936 in die reichseinheitliche Gendarmerie eingeliedert wurden.

 

Landboten und Fuhrleute in der Hauptstätter Straße um 1900. © Landesmedienzentrum Baden-Württemberg
Landboten und Fuhrleute in der Hauptstätter Straße um 1900. © Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

In Stuttgart gab es weiterhin eine eigene kommunale Polizei, die sog. Schutzmannschaft, deren Schutzmänner der Kommunalverwaltung unterstellt waren.

 

Die Landjäger oblagen den Anordnungen des Königs bzw. später der Landesverwaltung. Unterstützend waren berittene Landjäger ab 1889 auch in Stuttgart tätig, um dem in der Landeshauptstadt im stärker aufkommenden Fuhrwerkverkehr Herr zu werden. 

 

 

 © Landesmedienzentrum Baden-Württemberg


Die erste Uniform bestand aus dunkelblauen Kollett (Reitjacke), weißer Weste, weißen Beinkleidern, hohen Stiefeln, Hut und blauem Mantel. Die Bewaffnung bestand aus Säbel, Karabiner, zwei Pistolen und Patronentasche an kreuzweise getragenen weißen Bandeliers. Spätere Änderungen:

  • 1859 dunkelblaue Beinkleider durch dunkelgraue ersetzt,
  • 1864 Tornister abgeschafft.
  • 1864 neue Uniform: Dienstmütze und zwei-reihiger Waffenrock in dunkelblau, dunkelgraue Beinkleider.
  • 1872 Uniform nach Muster preußischer Gendarmerie, jedoch mit zweireihigem Waffenrock, einschließlich Helm, der sogenannten Pickelhaube.
  • 1893 wurde wie in Preußen der einreihige Waffenrock eingeführt,
  • 1902 eine feldgraue, zweireihige, waffenrockartige Uniformjacke (Litewka).
Landjäger-Uniformen im Polizeimuseum Stuttgart
Landjäger-Uniformen im Polizeimuseum Stuttgart

Sehr detaillierte Beschreibungen der Landjägeruniformen und ihren Wandel im Laufe der Zeiten findet sich bei "Ingo Löhken, Polizei-Uniformen der Süddeutschen Staaten 1872-1932", Podzun-Pallas-Verlag Friedberg (1988).


Hauptmann und Landjäger des Landjäger-Corps in Uniform, Mütze, letzterer mit Feldausrüstung.

© Hauptstaatsarchiv Stuttgart

Landjäger des Landjäger-Corps in Uniform, Mütze mit Gewehr führt Verdächtigen in Zivil ab.

© Hauptstaatsarchiv Stuttgart



Blauer Uniformrock mit Silberlitze am Kragen, Ärmelaufschläge mit roter Biese, acht silberne Knöpfe und rot eingefasste Schulterklappen. Die Uniformhose an­th­ra­zit, Kopfbedeckung Pickelhaube mit Schuppenkette und Stuttgarter Rössle als Wappen.

 

Helm eines Landjägers aus Cannstatt (Stuttgart) Ende des 19. Jahrunderts.
Helm eines Landjägers aus Cannstatt (Stuttgart) Ende des 19. Jahrunderts.
Helm eines württ. Landjägers zur gleichen Zeit.
Helm eines württ. Landjägers zur gleichen Zeit.

Uniformrock des Württembergischen Landjägerkorps ab 1892, hier mit den Insignien des Königs (Krone und W), die 1907 anlässlich der 100-Jahr-Feier des Landjägerkorps dazu kamen.


Zur Bewaffnung gehörte das Infanterie-seitengewehr M 71, mit Lederscheide an einem übergeschnallten Ganzleder-koppel getragen, das Koppelschloss mit einer Zweidornschnalle. Bei den Land-jägern wurden 1902 Revolver ein-geführt, die zunächst nur bei Diensthandlungen wie Gefangenen-transporte per Eisenbahn oder dem Dienst mit dem Fahrrad, getragen wurden.

Während das Landjägerkorps bereits früh mit Schußwaffen ausgerüstet war, trugen die Schutzleute der Stutt-garter Schutzmannschaft noch ihren Säbel im Dienst. Nach zahlreichen, teils tödlichen  Angriffen auf die Polizisten, genehmigte schließlich der Gemeinde-rat die Anschaffung von Revolvern, die ab 1913 zunächst nur nachts getragen werden durften. (siehe PHV-Vereinsmittelungen Nr. 45/ Dez. 2023, S. 14ff.)



Ortspolizei und städische Polizeien

Neben dem Königlichen Landjägerkorps, das - dem Namen entsprechend - dem König bzw. der Staatsregierung unterstellt war, gab es in Stuttgart und kleineren Kommunen oder Städten weiterhin Orts- oder städtische Polizeien, die ebenfalls polizeiliche Aufgaben (ausschließlich) auf dem Gemeinde- oder Stadtgebiet wahrnahmen. Sie unterstanden dem jeweiligen Gemeinderat und wurden von der Kommune entlohnt sowie ausgestattet. Bezüglich der Uniformen gab es keine einheitlichen Regelungen, aber meistens orientierte man sich am Äußeren des Landjägerkorps oder des Militärs. Teils wohl so genau, dass sich das württembergische Ministerium des Innern 1906 veranlasst sah per Erlass vom 10. Februar die Ortspolizeibehörden anzuweisen, dafür zu sorgen, dass die Gemeindebeamten uniformmäßig so ausgestattet werden, dass es nicht zu Verwechslungen mit den Landjägern kommt. In der Folge gab das Ministerium dann 1909 Musterbestimmungen zu Gemeindeuniformen heraus, an denen sich die Kommunen orientieren konnten. Näheres hierzu wieder bei "Ingo Löhken, Polizei-Uniformen der Süddeutschen Staaten 1872-1932", Podzun-Pallas-Verlag Friedberg (1988).

Das Nebeneinander von kommunalen Polizeien und einer Landespolizei hielt sich bis in die 1930er Jahre, als dann die NS-Regierung im Rahmen der Verreichlichung alles unter ihren direkten Einfluss stellte. Nach 1945 setzen die Besatzungsmächte zunächst wieder auf eine solche Auftrennung, um keine starken zentralen Sicherheitsorgane aufkommen zu lassen.

Schutzmänner der Stuttgarter Schutzmannschaft im Jahr 1906, bewaffnet mit Säbel.
Schutzmänner der Stuttgarter Schutzmannschaft im Jahr 1906, bewaffnet mit Säbel.

Ewald Anger in selbstgestalteter Landjäger-Uniform
Ewald Anger in selbstgestalteter Landjäger-Uniform

Wer heute einen Landjäger noch "live" erleben möchte, kann dies in Besigheim tun: Ewald Anger, Polizeibeamter a.D. und Mitglied im Polizeihistorischen Verein Stuttgart, nimmt seine Gäste mit auf Streife durch die ehemalige Oberamtsstadt und erzählt die kleinen und großen Geschichten aus der "guten(?) alten Zeit" um die Jahrhundertwende von 1900. 

Näheres siehe hier.

Königreich Württemberg 1810-1918
Königreich Württemberg 1810-1918